Choucroute garnie, ein Klassiker aus dem Elsaß
Choucroute garnie d‘ Alsace
Choucroute garnie dall‘ Alsazia
Photo, Food and Art – Barbara Fohrer
Textliche und bildliche Überarbeitung – Reiner Grundmann


P R O L O G
Jeffrey Steingarten, Autor von „Der Mann, der alles isst: Aufzeichnungen eines Gourmets“, beschreibt in seinem Buch seine Abenteuer, die er als New Yorker Foodkritiker und Kolumnist der Vogue in Frankreich auf der Suche nach „Dem Choucroute“ erlebt hat. Mitgeflogen ist seine Gattin, welche er zur Verköstigung der Spezialität und bei diversen Speise-Lokalerminen dabei hatte in Europa.
Ich habe Barbara das Rezept zukommen lassen, das Jeffrey Steingarten aus 10 Tagen Frankreich und 3 Verköstigungen pro Tag mitgebracht hat. Täglich musste er den Gürtel seiner Gabardines ein Loch weiter schnallen und schließlich rauschte er nebst aufgeblasener Ehefrau wieder gen USA, beide einem Heißluftballon ähnlicher als alle anderen an Bord der Pan Am Maschine.
Sauerkraut fordert sein Recht.
Barbara hat trotzdem mal kräftig gelacht. Das Choucroute, das sie von ihren Freunden im Elsaß kennt ist anders – besser.
Reiner Grundmann

Ein echtes Traditionsgericht, dieses Choucroute! Wenn man dem elsässischen Sprichwort glauben will, gilt:
„S’Sürkrut esch erscht gud, wenn’s sewemal gewärmt esch“
(Sauerkraut ist erst gut, wenn es siebenmal aufgewärmt wurde).
Jede Familie hat ihr eigenes Rezept, viele Köche haben ihr spezielles… im Grunde aber ist es ein traditionelles Gericht. Der Kohl stammt aus China, ja, ganz richtig: aus dem Reich der Mitte! Die Arbeiter, die die Große Mauer errichteten, sollten bei guter Laune gehalten werden und bei guter Gesundheit, denn der Kohl sorgte besonders in den eisigen Wintern – man erinnere mich nicht an meinen ersten Besuch an der Großen Mauer bei -17°, eisigem Wind und fiesen kleinen Sandkörnern aus der Wüste Gobi, die der Wind in jede Ritze fegte – für das ausreichende Vitamin C und sorgte, wie auch bei der Schifffahrt, dem Skorbut vor.
Es waren die Mongolen und Tataren, die den vergorenen Kohl in unsere Breiten brachten – man denke auch an die Tradition, die er auf dem Balkan hat. Im Norden des Elsass um Krautergersheim wird er angebaut, dieser fahlgrüne Weißkohl, der mit seinen bis zu 7 kg Gewicht größer ist als alle anderen anderswo.
7 kg sind ein „quintals d’Alsace“ (Elsässer Zentner). Heute wird er zwischen Juli und November geerntet – seltsam, nicht wahr? Wenn Schlachtzeit ist, komischerweise ist dann auch das Sauerkraut durchgegoren…. – was sagt uns das? Pfiffig.
Bis vor einigen Jahren gab es den sehr einträglichen Beruf des „Krütschneiders“, der von Haus zu Haus ging und den Kohl gaaaaanz fein schnitt, damit jede Familie sich ihr choucroute für den Winter anlegen konnte.
Man schichtet abwechselnd Lagen von Kohl und Salz meist in Holzfässer, gibt Wacholderbeeren dazu und presst die Lagen zusammen. Das Stampfen ist wichtig, denn dann entsteht die Flüssigkeit, die den Kohl bedeckt. Man stellt auch etwas Schweres auf den Kohl und beschwert ihn während der Gärung. Die Gefäße wie Gärtöpfe oder Holzfässer werden verschlossen. ,
Um die festen Anteile (meist Kraut) unter der Flüssigkeitsoberfläche zu halten, werden Gewichtsscheiben aus Stein oder Keramik eingesetzt.
Das Salz entzieht dem Kohl Feuchtigkeit. Es entsteht eine Lake. Die Milchsäuregärung benötigt drei bis acht Wochen. Die Menge ist dann um die Hälfte geschrumpft, aber der Kohl ist haltbar und gesund.
(Gärtopf bezeichnet ein Gefäß zur Herstellung und Aufbewahrung von vergorenen Lebensmitteln. Das Gefäß besteht aus Keramik oder Steinzeug und weist um die Öffnung eine ringförmige Vertiefung auf.
Diese wird mit Wasser gefüllt und ein Deckel verwendet, der in die wassergefüllte Nut eintaucht. Dadurch wird das Entweichen von Gärgasen ermöglicht und das Eindringen von Sauerstoff und unerwünschten Fremdstoffen wie Schmutz oder Bakterien und Schimmelpilzen behindert.)
Ja, und dann kommen die „Feinschmecker“ und fügen dem Ganzen so allerlei Leckereien hinzu, wie da sind:
Geräucherter und frischer Speck, Wellfleisch, Eisbein, geräucherte Schweineschulter, in manchen Haushalten auch Leberknödel, Bratwurst, vor allem aber geräucherte Wurst, Knackwurst, Fleischwurst – jeder nach seiner Façon.
Ich finde es immer lustig, wenn in Gourmetzeitungen DAS Rezept für Choucroute gepriesen wird. Gehen Sie mal zu Madame in der Region – jeder hat sein Rezept und meist sind die sehr einfach gehalten, denn Choucroute ist ein ländliches Gericht, kein Schickimicki! Heute bereiten wir das Choucroute mit reichlich Wein zu – ob Riesling, Pinot Gris, Sylvaner oder gar mit einem guten Crémant d’Alsace oder – wie wäre es? – mit einem Champagner. Welch ein Luxus!

Mein Onkel, Ingenieur und Korvettenkapitän, las mit Vorliebe Alexandre Dumas und machte sich nach seiner Pensionierung auch als Übersetzer dieses französischen Literaten einen Namen. Dumas, der sich zu vielen Dingen äußerte, gab eine Beschreibung seiner Art der Zubereitung von Choucroute ab.
(Großes Wörterbuch der Küche (1873) Alexandre Dumas. Ausgabe Phébus 2000. Seite 244. – die Informationen diese Artikels stammen zum Teil, auch bezüglich des Gärtopfes, von Wikipedia)
Z U T A T E N

Choucroute traditionelle à l’ancienne
- 1 kg Sauerkraut
- 2 Möhren
- 2 – 4 Zwiebeln
- 2 Knoblauchzehen
- 4 Gewürznelken
- 4 – 8 Wacholderbeeren
- 4 Lorbeerblätter
- Frischen Thymian
- Korianderkörner,
- Meersalz
- schwarzer Pfeffer (wenn der Pfeffer, ich nehme Kubeben-Pfeffer, mitgekocht wird, nehmen wir ihn im Ganzen, wenn er später dazu kommt, drücken wir ihn im Mörser leicht an)
- ½ l Gemüsebrühe (mancher nimmt auch Hühnerbrühe)
- 1 Flasche Riesling, trocken (auch Sylvaner, Pinot Gris, Crémant oder Champagner)
- 2 – 3 EL gutes Gänseschmalz
- 2 fingerdicke Scheiben geräucherter durchwachsener Speck (bitte auf Qualität achten!)
- 2 – 4 Räucherwürstchen, im besten Fall „saucisses de Montbéliard“
- 2 – 4 Straßburger Knackwürstchen oder Ähnliches
- 500 -700 g geräucherte Schweineschulter (manche nehmen auch Kassler) Man kann auch geräucherten Schinken und Fleischwurst hinzufügen oder auch eine Schweinshaxe oder ein Eisbein, dies jedoch eher für Choucroute Royale.
- 5 bis 6 festkochende Kartoffeln
- Senf aus Dijon
Z U B E R E I T U N G
Drei mal hat Barbara das Sauerkraut unter fließendem Wasser gespült und immer wieder in kleinen Portionen die Flüssigkeit ausgedrückt. Am Ende schlug sie es in ein sauberes Tuch, schnitt die beiden Möhren in Scheiben und dünstete sie an.
Dann schnitt sie zwei Zwiebeln in feine Scheiben. In einen großen gusseisernen Topf gab sie 2 bis 3 Esslöffel gutes Gänseschmalz und die Zwiebelscheiben.
Diese bräunte sie leicht an und gab des weiteren die Möhrenscheiben mit in den schweren Topf, auch ein Gewürzsäckchen mit dem Thymian und den ungeschälten zerdrückten Knoblauchzehen.
Flink wurde eine Zwiebel mit Nelken und Lorbeerblättern gespickt, auch sie wanderte in den Topf.

Nun begann die Schichtung der feinen Sachen.
Eine Lage Sauerkraut, darauf die beiden dicken Speckscheiben, würzen mit Pfeffer und Salz, einen halben Liter trockenen Riesling angießen. Warten. Warten. Wenn das Sauerkraut richtig warm ist, das Fleisch auflegen und etwas eindrücken.
Vegetarische Fleisch und Wurstwaren.
Das sind sie Gott sei dank nicht.
Zum Schluss kommen die geräucherten Würste hinzu.
Mit ca. ½ l Brühe aufgießen und ca. 45 Minuten mit geschlossenem Deckel bei mittlerer Hitze kochen lassen. Die Flüssigkeit muss man ab und zu kontrollieren und eventuell mit ein bisschen Wein oder Brühe ergänzen.

Die Knacker erst kurz vor Ende des Kochvorgangs hinzufügen, sie platzen leider sonst zu schnell.
Die festkochenden Kartoffeln waschen und schälen und in Salzwasser 25 Minuten kochen. Am Ende dem Gericht beifügen. Ich lege sie die letzten paar Minuten gerne auf das Sauerkraut, sagt Barbara.
Gerne reicht sie auch etwas Dijon-Senf dazu.
Ich habe jetzt ein paar Stunden nichts von Barbara gehört. Sie wird doch nicht …immer noch? Reichlich war es ja. Sie hat sichs verdient. ;o)
Ä guede, liebe Freunde!
Elsässisch ist eine eigene Sprache, die aus der Not der Menschen dieser gebeutelten Region entstanden ist. Die Elsässer wurden hin und her geschubst. Mal gehörten sie zu Frankreich, dann wieder zu Deutschland. Der Elsässer hat in seiner Sprache und Kultur seine Identität gefunden. Und das ist gut so.
Bon appetit
