„Der Mann, der alles isst“, von Jeffrey Steingarten – eine Rezension für Krautjunker.com
„L’uomo che mangia tutto“ di Jeffrey Steingarten – una recensione per Krautjunker.com
„L’homme qui mange tout“ de Jeffrey Steingarten – revue du site Krautjunker.com

….eine Rezension für Jens Werkmeister und den Krautjunker.com
von Reiner Grundmann

Es ist schon einige Monate her, da bat mich Jens Werkmeister eine Rezension für seinen Jäger- und Literatur-Blog „Krautjunker“ zu schreiben. Das Buch, das er mir durch den Verlag zukommen lies, war Jeffrey Steingartens „Der Mann, der alles isst.“
Fast gleichzeitig empfahl mir Jens dringend, ich solle doch über einen eigenen Foodblog nachdenken, er sehe da ein großes Potential bei mir.
Das wars.
Die Rezension für „Der Mann, der alles isst“ wanderte nicht bewusst, aber fast zwangsweise auf die Warteliste. Das Projekt „The Flying Fish“ lies mich nicht mehr los. Seite für Seite, Kochrezept für Kochrezept entstand der nagelneue Foodblog vom Fliegenden Fisch und Jeffrey Steingarten spielte ganz im Hintergrund meines Kopfsalates die undankbare Rolle eines Stiefkindes, das Beachtung und Gegenliebe sucht, aber vorläufig nicht findet.
Nun habe ich mir also in einer Kochpause die Zeit genommen, und die Rezension geschrieben, welche Jens auch schon auf seinem „Krautjunker“ eingestellt hat.
Hier also die Rezension für Jens Werkmeister:
„Der Mann, der alles isst“, von Jeffrey Steingarten.
Rezensent: Reiner Grundmann

Der Mann, der alles isst: Aufzeichnungen eines Gourmets
Autor: Jeffrey Steingarten
Übersetzung: Fritz Schneider und Heike Steffen
Verlag: Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins
ISBN:978-3807700892
Es war im Jahr 1997. Jeffrey Steingarten gibt sein Buch heraus vom Mann der alles isst. Nicht irgendein Buch. Es ist das Buch seiner jahrelangen Odyssey durch die Welt, auf der Suche nach dem „perfekten Rezept“. Jeffrey musste sich dafür überwinden. Es ist nicht so, dass er damals, in den späten 80er Jahren, als die VOGUE ihn anrief und ihm – dem etwas verwöhnten Rechtsanwalt – den Job eines Food – Kolumnisten anbot, schon jemand war, der alles essen würde.
Jeffrey musste da harte Arbeit an sich leisten, indem er wochenlang gerade das aß, was ihm verhasst war.
Food-Kolumnist. Food-Kolumnist. Das gefiel ihm. Von Anfang an sieht er sich jedoch nicht in der Tradition der gallebitteren, selbst des Kochens nicht mächtigen Kritiker, die lieber ein Restaurant und viele Existenzen ruinieren, bevor sie einmal veruchen ihren verkorksten und sterneverwöhnten Gaumen oder ihre Phobien gegen das eine oder andere Lebensmittel zu hinterfragen. Da werden Kritiken geschrieben, die nie, nie wieder einen Gast bewegen werden, das jeweilige Restaurant noch einmal zu betreten – nur weil ein tintenpissender Kolumnist seine Abneigung gegen Lakritz und Sardellen ausleben möchte.
Jeffrey begann zu analysieren, ob er sich mit der einen oder anderen anerzogenen Aversion – namentlich zum Beispiel gegen Sardellen und Anchovis – arrangieren könne, und er musste festestellen, dass die Sardellen im Glas aus der Mall an Highway 7 nichts aber auch gar nichts zu tun haben mit frischen Sardellen, welche man in Italien oder Frankreich auf den Teller bekommt. Seine Versuche, seine Notizen der Rezepte aus den Küchen der Welt in seinem Haus in New York so nachzubauen, dass sie den gleichen explosiven Effekt auf der Zunge erzeugen wie in ihrem Herkunftsland, scheitern oft und kläglich und teils auf kuriose Weise.
Er will die beste Pizza nachmachen – und ruiniert einen Gasgrill beim Versuch ihn auf 400 Grad zu pimpen.

Bevor Jeffrey also Anstalten machte, sich auf die Suche nach der alten Frau in Italien zu machen, deren primitivstes Restaurant nur über Passstraßen auf einem Last-Esel zu erreichen ist – die auch nur maximal 2 Gerichte auf der nicht existenten Karte hat – aber noch so kocht wie vor hundert Jahren – möglicherweise, weil sie auch schon 100 Jahre alt ist, arbeitete er an der Überwindung seiner anerzogenen Phobien. Über viele Wochen aß nun also der Rechtsanwalt alles, das ihm schon beim Gedanken daran Schweißperlen auf der Stirn entstehen ließ. Also als da wären Anchovis in einem koreanischen Restaurant, oder Kim chi, sauer eingelegtes Gemüse, dem Nationalgericht der Koreaner.
Wenn Koreaner fotografiert werden sagen sie nicht Cheese, sie sagen Kim chiiiiii.

Ich persönlich habe mich immer gewundert, warum um Himmels willen das griechische Schwein meist knochentrocken auf die Welt der griechischen Gourmettempel geboren wird und warum mein Souflaki-Spieß beim Griechen und das Schweinesteak natur mit Oregano so stark nach Grillanzünder schmeckt.
Jeffrey verrät es.
Um zu simulieren, dass man das Schwein gegrillt hat sprüht der griechische Gastro-Erotiker Grill-Aroma auf das Fleisch oder noch schlimmer, schüttet es aus Flaschen darüber. Ich habe für diesen Artikel extra meine Schuhe ausgezogen – die Vorstellung jemand würde künstliches Grillaroma auf mein Essen sprühen, läßt meine Zehennägel aufrollen wie ein Bimetall bei Triebwerksbrand. In einem Punkt muss ich Jeffrey ebenfalls beipflichten – ich hasse Wein, der nach Harz schmeckt. Im Gegenzug verstehen sicherlich viele meine Vorliebe für pappsüße Likörweine wie Maphrodaphne oder Samos nicht.
Geoffrey Steingarten erwähnt hier noch eine Hürde, die er meine ich, niemals nehmen wird: Desserts in indischen Restaurant, die nach seinem Dafürhalten allesamt nach Seife schmecken.
Er stößt bei seinen Recherchen aber auch auf Himmlisches, Überirdisches und unerwartet Göttliches aus den Küchen der Welt. Auch auf Kurioses, und scheinbar Alltägliches, das es noch zu übertreffen gilt. Die Sterne-Virtuosen des Guide millau und Michelin arbeiten rund um die Welt daran.
Köche versuchen, das Erlebnis einer pommes frites, oder von french fries immer wieder zu toppen.
Erdnussöl zum zweimaligen Frittieren der Erdapfelstifterl ist dabei schon so normal, wie die Tatsache, dass man Fisch nur an der Küste frisch bekommt, und die Sardelle auf dem Wiener Schnitzel die Ausnahme ist.
Die US Einfuhrbestimmungen machen es Jeffrey also schwer, Pferdefett zu importieren. Dieses scheint jedoch für das ultimative French-Fries-Erlebnis unerlässlich.

Genauso wie es in Großbritannien, wo er bei literarischen Freunden und Gourmets versucht, die Original-Paella aus Valencia nachzukochen, an den Schnecken scheitert, die da zusammen mit Kaninchenfleisch und Huhn unweigerlich hineingehören. Ebenso fehlen ihm das Holz von Zitrusbäumen und das Reisig aus den Weinbergen Spaniens für das Feuer unter der Paellapfanne, für das rauchige Aroma der fertigen Paella. Ich muss nicht dazu sagen, dass auch Schnecken aus der Dose absolut ein faux pas sind, da man diese kleinen schmackhaften Schleimer eigenhändig mehrere Tage mit Rosmarin füttern soll, und dazu müssen sie naturgemäß zunächst leben, um das Originalrezept annähernd zu erreichen. Was vielleicht leichter zu realisieren ist: Die Paella muss draußen gekocht werden – keinesfalls im Haus, und traditionell bleiben die Frauen auf großem Abstand, sie spielen nicht mit – Paella ist Männersache.

Überhaupt – im Elsass verspeisen Jeffrey Steingarten und seine Frau Berge von Sauerkraut, Würstchen und Fleisch, um herauszufinden, wie das original elsässische Choucroute denn nun wirklich eine dem französichen Kultgericht würdige Perfektion erreicht.

Als das x-te Choucroute schließlich droht, Jeffrey Steingarten und seine Frau zur Explosion zu bringen, setzen sie sich mit ihren Notizen in ein Flugzeug nach New York und entschweben gasgefüllt.
Die Rezepte, welche er in jeden Artikel und in jedes Kapitel mit einfließen läßt, lesen sich dann zum Teil wieder wie das Libretto aus einer Mozart-Oper. Tajarin al Burro e Salvia con Tartufi Bianchi oder Bagna Caòda – eine Sauce aus Portugal, die in einem Topf auf dem Tisch steht und vor sich hin köchelt, um Gemüse oder Brot einzutauchen. Oder die klangvollen Rezepte für Sugo d`Arrosto und Fondo Bruno – die Piemontesische Fleischbrühe.
Aber auch Foie Gras französische Stopfleber, perfektes französiches Baguette, Beluga-Kaviar, oder der Blufin und raffinierte Tartes aus dem Land Napoleons wandern während Jeoffrey`s Odyssey in seinen und den Magen seiner Gattin und von da über seine Schreibfeder aufs Papier. Einmal ist er sogar einer der Juroren beim Grand prix de la Baguette de la Ville de Paris – der Backwettbewerb für das beste Baguette der Stadt Paris.
Dass Hunde gemeinhin nicht meckern, wenn man ihnen das Fresschen macht, führt dazu, dass Jeffrey jedoch lieber für Sky King, seinen Golden Retriever kocht, als für Menschen.
Diese „Wanderung“ werde ich jedenfalls noch machen. Rezept für Rezept werde ich mich durch das Buch „Der Mann, der alles isst, Aufzeichnungen eines Gourmets“, von Jeffrey Steingarten, kochen und auch ein zweites und drittes mal die kulinarischen Abenteuer des Rechtsanwalts und seiner Frau lesen und nachfühlen.
Nicht nur einmal hat das Buch bei der Recherche zu diesem Artikel Schmunzel-Tränen in meinen Augen und flirrende Phantasien von edel gefüllten Tellern hervorgerufen.
Prädikat: Lesen, kochen, lachen, genießen.
Reiner Grundmann


Neu:
Der Mann, der alles isst: Zweiter Gang
Autor: Jeffrey Steingarten
Übersetzung: Fritz Schneider und Heike Steffen
Verlag: Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins
ISBN: 978-3807710143
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